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Channel: HAMBURG BALLETT – JOHN NEUMEIER
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Reise ins Sultanat Oman – Teil III

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Eindrucksvolle Tage in Maskat
Während die ersten beiden Teile unserer Blog-Reihe noch im Hamburger Nieselregen die aufwendigen Reisevorbereitungen begleiteten, berichtet der dritte und letzte Teil unserer Serie über die Erlebnisse vor Ort im sonnigen Gastland Oman, rund um zwei Vorstellungen von John Neumeiers »Nussknacker« am 27. und 28. Februar im Royal Oper House Muscat.

1Wie in einem Märchen aus 1001 Nacht: Tänzerin Miljana Vracaric vor der palastartig anmutenden Außenansicht des ROHM. Foto © Holger Badekow

Von Daniela Rothensee
Gleich am ersten Tag dreht sich alles um Verhüllung. Es ist Dienstagvormittag, die technische Einrichtung der Bühne für John Neumeiers Ballett »Der Nussknacker« im ROHM ist in vollem Gange. Die roten Verhangteile des Bühnenbildes für das vierte Bild des zweiten Akts werden aufgezogen. Der technische Leiter Frank Zöllner, sein Kollege Vladimir Kocic und der Rest der Hamburger Mannschaft betrachten zufrieden die Wirkung auf der fremden Bühne. Im Zuschauerraum erhält parallel eine Gruppe eine Führung durch das Gebäude. Es sind etwa 40 bis 50 Frauen in Abajas, den traditionellen langen schwarzen Gewändern. Plötzlich setzt sich die Bühnenmaschinerie in Bewegung und die Verhangteile fahren so weit hoch, dass sie nicht mehr zu sehen sind. Der Theatermeister des ROHM Jürgen Volckaerts aus Belgien hatte blitzschnell reagiert, als ihm mit einem Mal auffiel, was jetzt alle sehen: gleich sechs der auf die kunstvollen roten Bühnenbildprospekte aufgemalten antiken männlichen Statuen haben unbekleidete Hinterteile. Der hinterste Prospekt präsentiert außerdem zwei frontale Männerunterkörper. Was jetzt?

2Im zweiten Akt von John Neumeiers »Nussknacker« entdeckt Marie gemeinsam mit Ballettmeister Drosselmeier die Welt des klassischen Balletts – eine Geschichte, die überall auf der Welt funktioniert. Nur kleine Details verraten, dass dieses Foto im Oman aufgenommen wurde: Auf den Bühnenbildprospekten tragen die antiken Statuen jetzt Höschen. Hätten Sie’s bemerkt? Foto © Holger Badekow

Der technische Direktor des ROHM entscheidet: Unterhosen müssten reichen. Eine Aufgabe für Requisitenmeister Jürgen Tessmann, seit 34 Jahren an der Hamburgischen Staatsoper tätig, seit 16 Jahren ausschließlich für die Sparte Ballett zuständig. Zusammen mit seiner Kollegin, Garderobenmeisterin Barbara Huber, sucht er in ihren Tourneekisten nach Stoffresten, die farblich passen könnten – und wird fündig. Er kauft Ölkreide und nimmt eine Probemalung der Höschen vor, versucht sie theatermalerisch möglichst genau den Originalmalereien anzugleichen. Mit Doppelklebeband wird das bemalte Stoffstück kurz vor Ende der technischen Einrichtung am Vorhang befestigt.

Nächster Morgen: Das Probe-Höschen ist über Nacht abgefallen. Eine neue Lösung muss her. Mehrere Ideen werden verworfen. Schließlich näht Jürgen Tessmann die acht Höschen mit großen, groben Stichen an den Vorhang an. Später muss man sie wieder gut ablösen können, damit das Bühnenbild wieder in den Originalzustand zurückversetzt wird, zumal es sich um eine Leihgabe vom Bayerischen Staatsballett handelt. In weiser Voraussicht bekommt die barbusige Frauenbüste des ersten Aktes gleich auch noch ein Tuch umgelegt. Damit ist die Bühne für die beiden Vorstellungen im Oman nun technisch fertig eingerichtet, die Vorstellungen können kommen!

3Das City Seasons Hotel liegt, wie sollte es anders sein, in der Al Sultan Quaboos Street. Foto © Holger Badekow

Etwa zeitgleich halten 60 Tänzerinnen und Tänzer und das restliche Team vor dem City Seasons Hotel ihre Nasenspitzen zum ersten Mal in die Omanische Sonne. Es ist Mittwochmittag, siebeneinhalb Flugstunden mit Zwischenstopp und Wartezeit in Dubai liegen hinter ihnen, insgesamt sind sie etwa 15 Stunden unterwegs. Während einige sich nichts sehnlicher wünschen als in ihr Hotelbett zu fallen, schmieden andere bereits Pläne für einen Sightseeing-Nachmittag. Eine Handvoll Abenteurer macht sich gar noch zu einer Exkursion in die Wüste auf. Beim Abendessen haben sie definitiv die märchenhaftesten Geschichten zu erzählen, von endlosen Sandlandschaften, Wadis, Oasen mit Wasserfällen und Kamelritten! Aber auch in der Hauptstadt Maskat gibt es einiges zu sehen: elegante Bauten wie den Sultanspalast Qasr al-Alam in Alt Muscat, gepflegte Grünanlagen mit bunten Blumen, die 2001 fertig gestellte große Sultan Qaboos Moschee oder den weihrauchbenebelten ältesten Bazar des Landes, den Souk in Muttrah. Wer die Hotel-Variante gewählt hatte, kam ebenfalls auf seine Kosten: auf dem Dach des City Seasons Hotels befindet sich ein großer Pool mit einer einzigartigen Aussicht über die Stadt. Hier kann man es sich gut gehen lassen und Kräfte tanken für die nächsten Tage.

4Teakholz und Marmor sind die dominierenden Materialien im prachtvollen Eingangsfoyer. Foto © Holger Badekow

Donnerstagmorgen: Die zwei großen Reisebusse erreichen das Opernhaus, ein Traum aus weißem Marmor! Alle drücken sich die Nasen an der Fensterscheibe, Fotoapparate und Handys werden gezückt. Sultan Qaboos hat nicht gespart als er den Bau errichten ließ, der 2011 eröffnet wurde – als erstes Opernhaus seiner Art am arabischen Golf. Omanische, islamische und im Saal auch italienische Einflüsse gehen in der außergewöhnlichen Architektur eine perfekte Symbiose ein. Und auch technisch ist das Gebäude auf dem neuesten Stand: binnen kürzester Zeit kann ein 720 Tonnen schweres Konzertzimmer mit eingebauter Orgel in die Hinterbühne verfahren werden und der Saal so in einen Opernsaal mit Orchestergraben verwandelt werden. Auf der Rückseite der Sitze im Auditorium sind kleine Monitore eingebaut, die Untertitel in Arabisch und Englisch wiedergeben können.

5Nach eineinhalb Stunden Training mit 60 Tänzern beklagte sich niemand mehr über die Klimaanlage im Ballettstudio im Untergeschoss des Opernhauses. Foto © Holger Badekow

John Neumeier trifft ein. Er kommt direkt aus Paris, wo er am Vorabend die gelungene Uraufführung seines neuen Balletts zu Gustav Mahlers »Lied von der Erde« mit dem Ballett der Pariser Oper auf die Bühne brachte. Jetzt steigt er aus dem Taxi und begibt sich direkt ans Regiepult im Zuschauerraum: die Platzierungsprobe kann beginnen. Drei Stunden lang ist der Vormittag dafür reserviert, die Positionen und Bewegungen der Tänzerinnen und Tänzer auf die neuen räumlichen Gegebenheiten und Bühnenmaße anzupassen. 

Bevor es aber chronologisch durch das Stück geht, korrigiert John Neumeier noch die Position einiger Dekorationselemente. Ein Sessel in der vom Zuschauer aus gesehenen linken hinteren Bühnenhälfte wird auf die andere Seite eines auf der Staffelei präsentierten Bildes verschoben. »Ich möchte lieber weniger vom Sessel sehen, dafür aber das Bild ganz«, sagt John Neumeier ins Mikrofon. »Und vielleicht können wir bei der Gelegenheit auch gleich etwas für die arme Palme tun, sie sieht ein bisschen zerstört aus«, ergänzt er. In der Tat, die kleine Palme auf einer der Bühnenbildsäulen, lässt die Blätter ein wenig schlapp hängen, als mache ihr der Temperaturwechsel vom norddeutschen Winterwetter zur heißen Wüstensonne zu schaffen. Auf der vom Zuschauer aus gesehen rechten Bühnenseite wird das Sofa noch ein bisschen nach hinten gerückt, dann ist die Platzierung der Dekorationselemente abgeschlossen und es geht nach und nach an die Positionierung der Tänzerinnen und Tänzer in den einzelnen Szenen.

6Auch Maries Puppentheater wurde in einer der vielen Tournee-Kisten unversehrt nach Maskat transportiert. Foto © Holger Badekow

Kniffelig sind vor allem die Diagonalen: beispielsweise dann, wenn Fritz und die Kadetten auftreten. Ihre Diagonale muss perfekt sein, sie verleiht dem Auftritt ihres Anführers Günther seine wirkungsvolle Prägnanz. Oder später im zweiten Bild, wenn die Mädchen des Hoftheater-Corps de Ballets in ihren weißen Tutus unter den strengen Augen des Ballettmeisters Drosselmeier an ihrer Perfektion arbeiten. John Neumeier präzisiert aber einzelne Momente auch inhaltlich, macht die Dramaturgie klarer verständlich. »Nicht nur das, was die Solisten mit ihren Bewegungen sagen, ist entscheidend. Ihr helft dem Publikum durch eure Reaktion auf das, was sie tanzen, die Handlung besser zu verstehen«, weist er das Ensemble an. Dann zum Beispiel, wenn die Mutter, verkörpert von Miljana Vracaric, von Günther zum Tanzen aufgefordert wird. »Ihr bestärkt sie darin, ihr wollt die Gastgeberin auf der Tanzfläche sehen«, so John Neumeier. So geht es Schritt für Schritt, Szene für Szene in drei Stunden einmal durch das gesamte Ballett

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Eine präzise Platzierung ist vor allem im zweiten Bild von »Der Nussknacker« entscheidend, wenn das Mädchen Marie mit Drosselmeier im Traum zum ersten Mal einer professionellen Ballettprobe beiwohnt. Foto © Holger Badekow

Am Nachmittag sowie am Freitagmorgen finden dann die beiden jeweils dreistündigen Bühnenorchesterproben statt. Die Musiker der Brno Philharmonic sind dafür aus Tschechien angereist. Erstmals treten sie gemeinsam mit dem HAMBURG BALLETT auf, das Royal Oper House Muscat hat sie zusammengebracht. Die musikalische Leitung hat der deutsche Dirigent Michael Schmidtsdorf inne, der John Neumeiers »Nussknacker« zuletzt im Dezember in Hamburg dirigiert hat.

8Die große Konzertorgel wurde von der Bonner Orgelbaufirma Klais gebaut und verfügt über 4500 Pfeifen. Wird der Orchestergraben ausgefahren, wird sie dank modernster Technik auf die Hinterbühne gefahren. Hier ist sie umgeben von Bühnenbildelementen von »Der Nussknacker«. Foto © Holger Badekow

Draußen begrüßt Ballettbetriebsdirektorin Ulrike Schmidt derweilen den Intendanten des ROHM Umberto Fanni. Der Italiener hat die Leitung mit Beginn dieser Spielzeit übernommen, nachdem die vorherige künstlerische Leiterin Christina Scheppelmann – übrigens gebürtige Hamburgerin – ans Gran Teatre del Liceu nach Barcelona gewechselt ist. Am Opernhaus in Maskat arbeiten neben einigen Omanis auch viele Ausländer. »Unsere Kollegen aus der Tonabteilung kommen aus England, Belgien und Italien«, erzählt Frederic Couson, Leiter der Tonabteilung des HAMBURG BALLETT. »Meine Ansprechpartnerin, die Leiterin der Kostümabteilung, ist Australierin«, ergänzt Barbara Huber. In der Maske arbeitet Personal aus den Philippinen und Indien. Omanische Mitarbeiter sieht man vor allem im Vorderhaus, die Männer in ihren langen weißen Gewändern, das Haupt mit der traditionellen, runden Kappe, der kumma, bedeckt.

9Ein wenig Sonne tanken zwischen den Proben: Die beiden Drosselmeier-Darsteller Otto Bubenícek (links) und Alexandre Riabko (rechts) mit Alexandr Trusch, der an beiden Abenden den Günther tanzte, vor dem Bühneneingang. Foto © Holger Badekow

Ein waschechter Omani ist auch Khalid al Busaidi, der Hausfotograf des ROHM. Gemeinsam mit unserem Hausfotografen Holger Badekow sieht und fotografiert er die Premierenvorstellung von der zentralen Königsloge aus. Bestuhlt wird sie nur, wenn Sultan Qaboos höchstpersönlich oder Angehörige seiner Familie oder des Board of Directors anwesend sind. In der Pause fachsimpeln Khalid al Busaidi und Holger Badekow über Ballettfotografie. Der junge Kollege ist beeindruckt von der über 40-jährigen Berufserfahrung des älteren. Die Kunstform Ballett ist jung im Oman, vor 2011 kannte sie kaum jemand. Khalid interessiert sich sehr für das, was er fotografiert. Seit 2012 ist er am Haus und hat seitdem alle Opern- und Ballettproduktionen fotografiert. »Ich habe auf eurer Website gelesen, dass John Neumeier auch eine junge Compagnie gegründet hat«, berichtet Khalid und meint das Bundesjugendballett. »Ich mag es, mehr über die Künstler zu erfahren, die zu uns kommen, deshalb informiere ich mich über das Internet«.

10Der wunderschöne Saal des Royal Oper Houses verfügt über 950 Sitzplätze. Wird kein Orchestergraben benötigt, finden sogar 1100 Zuschauer Platz. Foto © Holger Badekow

Für Interessierte wie Khalid unter den Zuschauern, lädt das Opernhaus vor beiden »Nussknacker«-Vorstellungen zu sogenannten halbstündigen ›Pre-performance Talks‹ ein. Im Gespräch mit der ehemaligen Primaballerina des Londoner Royal Ballet, Mara Galeazzi, spricht John Neumeier an beiden Abenden vor rund 60 Zuhörern über die Anfänge und den Verlauf seiner Karriere, seinen 1971 in Frankfurt kreierten »Nussknacker« und seine künstlerischen Visionen für Compagnie, Schule und Bundesjugendballett. »Das Herz meiner Arbeit ist die Kreation. Zum Kreieren benötige ich Instrumente, brauche ich meine Compagnie. Um diese sozusagen immer wieder zu ›erfrischen‹ gibt es die Schule. Sie sind wie Kreise, die einander umrunden. Ich suche nicht nach ›Ja-Sagern‹, sondern nach Tänzern, die mich mit ihrer eigenen Kreativität und Persönlichkeit inspirieren«. John Neumeier spricht auch über die Gründung seiner zweiten Compagnie, das 2011 ins Leben gerufene Bundesjugendballett, und das große kreative Potential im Hamburger Ballettzentrum: »Wesentlich ist für mich, dass wir durch unsere Kunst mit anderen kommunizieren und nicht hinter verschlossenen Türen arbeiten. Deshalb ist der zentrale Aspekt unserer Arbeit, zu zeigen, dass Tanz wesensmäßig menschlich ist.«

11John Neumeier spricht nach der Probe zu den »Jungen Choreografen« seiner Compagnie. Foto © Holger Badekow

Den jüngsten Beweis ihrer Kreativität liefern die Tänzerinnen und Tänzern des HAMBURG BALLETT dann am Samstagmorgen im Ballettsaal im Untergeschoss des Opernhauses. Hier präsentieren sie John Neumeier, der in den letzten Wochen durch Premieren in Wien und Paris bislang noch keinen Blick in die Proben werfen konnte, ihre eigenen Choreografien für die Vorstellungen der »Jungen Choreografen«, die in der Woche nach der Tournee auf die Bühne in der Opera Stabile in Hamburg gebracht werden. Es sind tänzerische Momentaufnahmen von emotionalen Situationen und menschlichen Beziehungen zu Musiken von Terry Riley über Arvo Pärt bis hin zu eigenen Kompositionen. Ohne Bühnenbild und Kostüme entfalten die Choreografien ihre ganze Ausdruckskraft durch die puren Bewegungen und Interaktionen der Tänzerinnen und Tänzer. Viele Stücke erzeugen ähnliche Stimmungen als gäben sie Zeugnis der engen Verbundenheit der Choreografen untereinander, die, wie John Neumeier im Anschluss zusammenfasst, »von demselben Raum aus unterschiedlichen Fenstern gucken.«

12Während John Neumeier im Gespräch mit Mara Galeazzi das Publikum in einem ›Pre-Performance Talk‹ auf die Vorstellung einstimmt, befinden sich einige Künstler noch in der Maske. Hier wird gerade Eduardo Bertini für seinen Auftritt zurechtgemacht. Foto © Holger Badekow

Später, am Abend beim zweiten ›Pre-Performance Talk‹, will Mara Galeazzi von John Neumeier wissen, wie er zu der Entscheidung kam, von seinen über 150 Choreografien, den »Nussknacker« für den Oman auszuwählen. John Neumeier braucht nicht lange zu überlegen: »Man denkt zuerst einmal an den Ort, an dem man gastiert. Ist es das erste Mal, dass wir hinfahren? Waren wir schon häufiger dort, ist dem Publikum also unser Stil vertraut? Im Oman geben wir unseren Einstand. Das Land kennt klassisches Ballett nicht gut, ist aber offensichtlich interessiert. ›Der Nussknacker‹ erscheint mir das ideale Stück zu sein. Es ist ein Ballett über das Ballett. Eigentlich spiegelt das Stück meine eigene Entdeckung des Balletts wieder, Marie ist eigentlich wie ich als kleiner Junge und wie vielleicht viele im Zuschauerraum«. Abschließend dankt John Neumeier dem ROHM für die Einladung. »Ich bin dankbar für die Großzügigkeit und dafür, dass dieses Land es wichtig erachtet, Ballettgastspiele zu fördern und damit Brücken zwischen den Kulturen zu bauen.«

13Das Maskater Premieren-Publikum erlebte Hélène Bouchet als Marie, Carolina Agüero als Louise, Alexandr Trusch als Günther und Otto Bubenícek als Drosselmeier. Bei der Aufführung am Samstag übernahm Alexandre Riabko die Rolle des Drosselmeiers. Foto © Holger Badekow

Und ist das ›Brückenbauen‹ gelungen? Beide Vorstellungen waren ein großer Erfolg, soviel steht fest. Mit Standing Ovations hätte zuvor sicherlich niemand gerechnet. Umso schöner, dass das Publikum am Ende stehend und langanhaltend applaudierte. Ein technisches Detail der Aufführung ist übrigens auch noch anders als in Hamburg: Der Pyroblitz für das Gruppenfoto mit Ballettmeister Drosselmeier im ersten Akt ist wie ein kleiner Funkenblitz, raucht nur minimal. »Das liegt daran, dass wir Dual-Blitzlichtpulver nicht in den Oman einführen durften«, erklärt Jürgen Tessmann, der neben Requisitenmeister auch eine Qualifikation als befähigter Bühnenpyrotechniker hat. »Um dennoch einen ähnlichen Effekt erzielen zu können wie in Hamburg, habe ich deshalb Pyropapier gefaltet und mittels eines Zünders zum Brennen gebracht. Das gibt aber nur einen kleinen Knall – der Effekt eines echten, alten Fotoblitzes wie wir ihn aus dem Stück gewohnt sind, entsteht im Oman nicht«. Egal. Das Funkeln in den Augen der Zuschauer blieb auch mit reduzierter Blitz-Variante nicht minder strahlend, als wir es von Hamburger Ballettfreunden gewohnt sind. 

14Prof. Dr. Issam El Mallah, Berater für Musik in der Kulturabteilung der omanischen Regierung und zudem Berater für Programme und Veranstaltungen am ROHM überreichte John Neumeier eine wertvolle Schale. Foto  © Holger Badekow

Nach der zweiten Vorstellung am Samstagabend gab es noch eine feierliche Geschenkübergabe: im Namen des Royal Oper House überreichte Professor Prof. Dr. Issam El Mallah John Neumeier, Ballettbetriebsdirektorin Ulrike Schmidt, der Direktorin des Orchesters Marie Kučerová und Dirigent Michael Schmidtsdorf jeweils kostbare Geschenke. Seine Dankesworte konnte Professor El Mallah übrigens in fließendem Deutsch sprechen: der ägyptische Musikwissenschaftler kam 1971 zum Studium nach München, wo er zwischen 1980 und 1990  als Akademischer Rat am Institut für Musikwissenschaft lehrte und sich 1994 mit einer Arbeit zur arabischen Musik und Notenschrift habilitierte. In seiner heutigen Funktion als Berater für Musik in der Kulturabteilung der omanischen Regierung, berät er ebenfalls das ROHM in Programm- und Veranstaltungsfragen.

15Beide Vorstellungen im Oman waren ein großer Erfolg, die Karten jeweils ausverkauft. Standing Ovations für John Neumeier, Solisten und Ensemble des HAMBURG BALLETT, Dirigent Michael Schmidtsdorf und die Musiker der Brno Philharmonic. Foto © Holger Badekow

Und dann ist es auch bereits 8 Uhr am Sonntagmorgen, dem Tag der Rückreise nach Hamburg. »So, alle ausgecheckt und im Bus, es kann losgehen«, ruft Tourmanagerin Rachel Gimber den beiden Busfahren zu, während sie sich als letzte auf einen der noch freien Sitzplätze fallen lässt. Noch ein paar Mal wird sie an diesem Tag die Häkchen hinter die mehr als 70 Namen auf ihrer Reiseliste setzen. Sind alle durch die Pass- und Sicherheitskontrollen? Sitzen alle im Flieger? Sind nach zweieinhalb Stunden Aufenthalt in Dubai auch alle rechtzeitig am Gate für den Flug nach Hamburg? Drei Filme, ein Lamm-Biryani und einige Nickerchen später setzt die Maschine um 19.00 Uhr auf dem Hamburger Boden auf. Am Gepäckband dauert es. Müde Gesichter wohin man schaut. Rachel Gimber wartet noch bis wirklich auch das letzte Compagniemitglied seinen Koffer vom Band gehievt hat. Dann macht sie sich selbst auch auf den wohlverdienten Heimweg. Draußen vor dem Flughafen strecke ich die Hand in den Hamburger Nieselregen. Da wären wir. Es ist März. »Die kleine Meerjungfrau«, die »Jungen Choreografen«, das nächste Gastspiel in Madrid, die Wiederaufnahme der »Winterreise« – dem allen widmen wir uns ab morgen. Für heute Abend gilt erst einmal: Endet die Reise, beginnt das Angekommensein.*

16Ein letzter Blick vor der Abreise auf das in Abendstimmung nicht minder majestätische ROHM. Der Kontrast zwischen tiefschwarzem Nachthimmel und weißem Marmor hebt sich in einem perfekten Gleichgewicht auf: ähnlich der einzigartigen Symbiose zwischen traditioneller Authentizität und Modernität, die das Sultanat Oman so einzigartig macht. Foto © Holger Badekow

* zitiert nach Walther Ludin


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