Ein Interview mit Sabrina Sadowska, Vorstandsvorsitzende der Stiftung TANZ – Transition Zentrum Deutschland
Von Nathalia Schmidt
Am 11. Januar 2015 geht der Erlös von John Neumeiers Benefiz-Ballett-Werkstatt an die Stiftung TANZ, deren Kuratoriumsvorsitzender er seit ihrer Gründung im Januar 2010 ist. Passend zum 5-jährigen Jubiläum der Stiftung rückt damit ein Thema in den Fokus, was im Leben eines jeden Tänzers früher oder später wesentlich wird: Die Frage des »Was kommt danach?«. Für uns der Anlass, um mit der Vorstandsvorsitzenden der Stiftung TANZ, Frau Sabrina Sadowska, zu sprechen.
Vorstand Sabrina Sadowska © Vincent Leiffer
Liebe Frau Sadowska, im Januar 2015 feiert die Stiftung TANZ – Transition Zentrum Deutschland ihr 5-jähriges Jubiläum. Was hat sich seit der Gründung der Stiftung im Jahr 2010 verändert? Von welchen Erfolgen können Sie berichten?
Zunächst einmal ist das Thema Transition auf der kulturpolitischen Agenda angekommen. Wir sind froh darüber, dass ihm bei Bund und Ländern Relevanz zugesprochen wird. Seit der Gründung im Jahr 2010 konnten wir mehr als 600 Tänzerinnen und Tänzern zur Seite stehen. Pro Jahr melden sich bei der Stiftung circa 150 Berufstänzer aus allen Bereichen und bitten um Informationen oder konkrete Begleitung. Zudem fungiert die Stiftung als Schnittstelle zu anderen Institutionen, wie zum Beispiel zur Bundesagentur für Arbeit, der Bayerischen Versorgungskammer, den Unfallkassen oder zum Deutschen Bühnenverein.
Durch ihre Stiftung haben Tänzerinnen und Tänzer eine Anlaufstelle, die sie im – meist schwierigen – Transitionprozess von der Bühnenkarriere ins ›normale‹ Berufsleben begleitet. Wie helfen Sie den interessierten Tänzerinnen und Tänzern konkret?
In erster Linie ist die Stiftung ein Ort, wo die Tänzer sich um sich selbst kümmern können. Das Büro in Berlin steht für sie immer offen. Uns ist es wichtig, dass jemand ohne Druck und ohne Stress in unser Büro kommen kann und nach seinen Wünschen beraten wird. Wir bieten persönliche, aber auch telefonische Einzelgespräche an, in denen die individuelle Situation sowie die Interessen und Ziele des Tänzers besprochen werden. Auf Wunsch führen wir auch eine Stärken-Schwächen-Analyse durch.
Viermal im Jahr veranstalten wir deutschlandweit ein- bis zweitägige Workshops, bei denen sich Tänzerinnen und Tänzer in kleinen Gruppen zusammenfinden und sich mit dem Thema Transition auseinandersetzen können. Außerdem bieten wir auch Vorträge in Kompanien, Tanzhäusern und Ausbildungsstätten an. Die Erfahrung zeigt hier meist, dass die Tänzerinnen und Tänzer erst zögerlich sind, bevor sie sich dann doch mit vielen Fragen zum Thema an uns wenden. Zusätzlich vergeben wir auch drei Mal pro Jahr kleinere Stipendien, um bei einem reibungslosen Berufswechsel am Ende einer Karriere Unterstützung zu leisten. Es gibt die Möglichkeit, Anträge auf Förderung zu stellen, beispielsweise für Kurs- oder Studiengebühren oder auch für die Kinderbetreuung während einer Ausbildung. Manchmal werden wir auch mit sehr schwierigen Fällen, wie beispielsweise Altersarmut, konfrontiert. Dann vermitteln wir auch an andere Institutionen, die den Betroffenen gezielter weiterhelfen können.
Ich möchte hervorheben, dass wir bei allen Angeboten, die wir den Tänzerinnen und Tänzern anbieten, darauf bedacht sind, dass sie ihre aktive Karriere voll auskosten können – aber eben mit der Sicherheit im Hintergrund, nach der Tanzlaufbahn einen für sie passenden zweiten Beruf zu finden.
Wie kommt es, dass Sie sich so intensiv für das Thema Transition einsetzen?
Während meiner Laufbahn als Tänzerin habe ich miterlebt, wie Kolleginnen und Kollegen am Karriereende standen und nicht wussten, wie es weitergeht. Ich kenne viele, die es geschafft haben, erfolgreich in einen neuen Beruf zu wechseln. Andere wiederum sind gescheitert, auch weil es keinen professionellen Ansprechpartner oder eine offizielle Anlaufstelle gab, an die sie sich hätten wenden können. Während Erste Solisten und Solisten häufig als Ballettmeister tätig werden, haben es Mitglieder des Ensembles dagegen oft schwerer. Nicht jeder kann Ballettmeister oder Choreograf werden.
Frau Sadowska, sie waren selbst aktiv als Tänzerin tätig.* Wie verlief ihre Transition?
Ich habe mich schon sehr früh darum gekümmert, was nach meiner aktiven Tänzerlaufbahn kommen soll. Parallel zu meiner Tänzer-Ausbildung habe ich eine Tanzpädagogen-Ausbildung absolviert und auch Benesh-Notation gelernt. Als Tänzerin bildete ich mich laufend fort, arbeitete mit Ballettmeistern und Tanzpädagogen und unterrichtete als Gast an verschiedenen Theatern und Institutionen. Mit 30 Jahren habe ich mich als Assistentin bei Ralf Dörnen beworben und hielt kurz darauf einen Vertrag in den Händen. Ich hatte sehr viel Glück, da mein Übergang von der Tänzerin zur Ballettmeisterin fließend war, aber ich habe mich in all den Jahren auch gut darauf vorbereitet und hatte immer schon im Blick, was ›danach‹ kommt.
Können Sie mir ein Beispiel für eine erfolgreiche Transition in den letzten Jahren nennen, die Sie mit der Stiftung betreut haben?
Es gibt viele positive Beispiele; ich denke da an einen Tänzer, der jetzt Waldorf-Pädagogik lehrt oder an eine Tänzerin, die in der Tanztherapie tätig geworden ist. Viele, die wir momentan noch begleiten, absolvieren einen Bachelor in Psychologie und bauen sich durch ihr Studium eine neue Berufsperspektive auf. Generell fällt mir auf, dass immer mehr Tänzerinnen und Tänzer parallel zu ihrer Ausbildung ein Fernstudium anstreben. Auch das unterstützt die Stiftung.
John Neumeier ist Vorsitzender im Kuratorium der Stiftung TANZ. Wie wichtig ist für Ihre Arbeit das Engagement von Künstlern und Persönlichkeiten aus dem Tanz-Bereich?
Ein solches Engagement ist uns sehr wichtig. Die Stiftung TANZ lebt von Unterstützung, die das Thema Transition in einen breiteren Kontext stellt. Dadurch ist auch eine Vernetzung mit anderen Berufssparten in Bezug auf Transition möglich. Ein Beispiel: Anfang 2013 gab es eine Unterstützungsinitiative im Land Hessen. Mehrere Tanzcompagnien und Institutionen aus der Region haben gemeinsam mit dem hessischen Ministerium unterschiedliche Aktionen geplant, um das Thema Transition und das Anliegen unserer Stiftung in der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Dort trafen wir beispielsweise auf Vertreter aus der Hotellerie oder aus dem Pilates-Verband; alles potentielle Berufsfelder nach der Tanzlaufbahn.
Was man bei allem aber nicht vergessen darf ist, dass die Tänzerinnen und Tänzer wertvolle Eigenschaften mitbringen, die sie der Gesellschaft in unterschiedlichen Bereichen zurückgeben können. Und doch ist die Re-Integrierung mit großen ideellen und auch finanziellen Schwierigkeiten verbunden. Vor diesem Hintergrund möchte die Stiftung TANZ einen Beitrag dazu leisten, den Übergang zwischen zwei Berufen zu erleichtern. Denn ich bin überzeugt davon, dass die Tänzerinnen und Tänzer ein Gewinn für unsere Gesellschaft sind.
Frau Sadowska, ich danke Ihnen sehr für das Gespräch!
Benefiz-Ballettwerkstatt am 11. Januar 2015 zugunsten der Stiftung TANZ – Transition Zentrum Deutschland, moderiert von John Neumeier, Beginn: 11.00 Uhr.
Die Werkstatt ist ausverkauft. Die Kartenkasse ist am Sonntagmorgen nicht geöffnet.
*Sabrina Sadowska erhielt ihre Tanzausbildung in Basel. Es folgten Engagements am Theater Trier, am Stadttheater Bremerhaven sowie im Opernhaus in Halle. In den Jahren 1997 – 2003 leitete sie gemeinsam mit Ralf Dörnen das Ballett Vorpommern, zunächst als Ballettmeisterin, ab 1999 als Stellvertretende Ballettdirektorin. Aktuell ist sie bei den Städtischen Theatern in Chemnitz als Ballettbetriebsdirektorin und Erste Ballettmeisterin tätig.