Seit Beginn der Spielzeit kümmert sich Elizabeth Lee als Gastspielleiterin um die Organisation und Durchführung der Tourneen des Hamburg Ballett, als Elternzeitvertretung für Rachel Nowak. Die Residenz in Baden-Baden ist damit die erste Reise, auf der sie die Compagnie begleitet. Zum Ende des Gastspiels sprechen wir mit ihr über ihre Eindrücke, Herausforderungen des Tourneealltags und Multitasking.
Von Frieda Fielers
Elizabeth Lee © Kiran West
Das Gastspiel in Baden-Baden ist fast vorbei – wie hast du deine erste Reise mit dem Hamburg Ballett erlebt?
Sehr positiv! Da das Hamburg Ballett jedes Jahr nach Baden-Baden fährt, ist das Festspielhaus wie ein zweites Zuhause für alle. Das bringt viele Vorteile mit sich: Alle kennen den Ort, die Besonderheiten des Hauses, das Team etc. Für mich war es daher auch ein einfacherer Start in die Tourneeplanung und das Tourneeleben, als wenn man an einen ganz fremden Ort gefahren wäre. Alle Mitarbeiter hier sind sehr entgegenkommend, dafür sind wir dankbar. Und die Vorstellungen von »Das Lied von der Erde« und »Nijinsky« sind beim Publikum sehr gut angekommen – das entspannt auch meine Stimmung. Natürlich habe ich besonders in den letzten Wochen gemerkt, wie viel Arbeit in die Planung und Durchführung eines Gastspiels gesteckt werden muss – aber es lohnt sich! Etwas ganz Besonderes war es für mich, zu sehen, wie kreativ John Neumeier auch auf Gastspiel arbeitet. Für die Vorstellungen von »Nijinsky« hat er z.B. viele Dinge verändert, an die andere Bühnensituation vor Ort angepasst und auch ganz neu kreiert und hinzugefügt!
Was sind die größten Herausforderungen in der Planung eines Gastspiels?
Besonders auf Reisen kommt immer etwas anders als eigentlich geplant. Dann muss man entsprechend reagieren. Die größte Herausforderung ist sicherlich, den Überblick zu behalten. Es sind viele Bereiche, die man im Blick behalten muss – und jeder der einzelnen Bereiche ist sehr komplex: Technik, Kostüm, Maske, Requisite, Bühne. Dazu kommen die Buchung der Hotels, der Transfer aller Mitarbeiter und auch vermeintliche Kleinigkeiten wie Internetzugang für alle sicherzustellen. Ich stehe quasi oben auf einem Berg und schaue nach unten auf viele unterschiedliche Bäume – und ich bin dafür zuständig, dass jeder einzelne Baum das bekommt, was er braucht. Denn wenn etwas fehlt und falsch läuft, bin ich die Ansprechpartnerin für alle. Man sollte sehr gut organisiert sein, flexibel reagieren und cool bleiben können - wenn ein Problem auftaucht, muss eine Lösung dafür gefunden werden. Ich gehe so etwas lieber positiv an und sehe Herausforderungen als Möglichkeit, zu wachsen.
Nach dem Gastspiel ist vor dem Gastspiel: Was steht als nächstes an und auf welche Reise freust du dich in dieser Spielzeit besonders?
Während wir in Baden-Baden sind, plane ich schon die weiteren Gastspiele: Kurz nach unserer Rückkehr nach Hamburg geht es weiter nach Moskau, dort zeigen wir John Neumeiers »Matthäus-Passion«. Dazwischen ist nicht mehr viel Zeit, deswegen haben wir alle Dinge, die mit nach Moskau kommen – Kostüme, Kulissen, Requisiten, Merchandise, Material etc. – schon mit nach Baden-Baden genommen und transportieren sie von hier weiter nach Moskau. Nach der letzten Vorstellung von »Nijinsky« am Sonntag beginnt gleich die Verladung der Kisten, unser Logistikpartner kümmert sich dann um den weiteren Transport. Ich freue mich auf Moskau, das wird eine ganz andere Erfahrung. Einmal natürlich wegen der Sprachbarriere, die es zu überwinden gilt, aber auch wegen des Ortes: Wir treten in Moskau im Tschaikowsky Konzertsaal auf, also nicht auf einer Bühne, die für Tanz gemacht ist; eine Herausforderung für unsere Techniker und Bühnenmitarbeiter. Auch auf die weitere Zeit in Hamburg bin ich gespannt: Es stehen viele tolle Ballette auf dem Programm, die ich sehen möchte. Da ich relativ neu bin und vorher im Bereich Oper zu tun hatte, kenne ich noch nicht so viele Stücke aus dem Repertoire des Hamburg Ballett. Im Februar geht es dann nach Japan. Ich freue mich darauf, das alles zu erleben!
Auf Tournee rund um die Uhr im Einsatz: Elizabeth Lee © Kiran West